Lavant, Christine
Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus
Buch: Dichtung

Dieser 1946 entstandene Text besteht aus Aufzeichnungen über einen freiwilligen Aufenthalt in einer Irrenanstalt. 55 Jahre nach seiner Niederschrift ist er veröffentlicht worden. Die Autorin, die sich nachweislich mit 20 Jahren freiwillig nach einem Selbstmordversuch einer Arsenkur in der Klagenfurter Landesirrenanstalt unterzogen hatte, wollte keine Veröffentlichung. In ihren Aufzeichnungen beschreibt die Ich-Erzählerin deutlich, gleichzeitig mit den Mitteln der poetischen Sprache ihre präzisen Beobachtungen an sich selbst, den Patientinnen, am Personal und an den Besuchern. Bereits beim Ankommen wird eines klar: Die Frau, die einen missglückten Selbstmordversuch hinter sich hat, die Trost sucht und erschöpft ist, findet hier alles andere als Ruhe. Sie muss kämpfen. Als Dritte-Klasse-Patientin muss sie sich gegen die besser situierten Damen behaupten, als eine, die noch keine drei Suizide hinter sich hat, muss sie sich ihre Berechtigung für diesen Ort erst erwerben. Und die Tatsache, dass sie - aus armen Verhältnissen kommend - schreibt und vorgeblich nicht aus einer unglücklichen Liebe hier ist, macht ihr das Leben bei den Schwestern und Patientinnen auch nicht leichter. Solange sie noch mit äSieô und äFräuleinô angesprochen wird, hat sie eine gefährliche Grenze noch nicht überschritten. Folglich scheint ihr ganzes Streben am Anfang dahin zu gehen, als Gast und nicht Dazugehöriger der Irrenanstalt zu gelten. Sie ist sich jedoch immer bewusst, dass es sich um eine permanente Gratwanderung handelt: zwischen dem äWohltunô der Schwestern und ihrem Hass, zwischen dem Wunsch, wirklich verrückt zu sein und dem äDavon-Träumenô und äDamit-Spielenô. Ein Grund für ihr Leiden, aber eben nur einer wird am Ende noch preisgegeben - die unerfüllte Liebe zu einem Arzt. Christine Lavant wurde 1915 als neuntes Kind einer Bergarbeiterfamilie im Kärtner Lavanttal geboren. Sie lebte auffallend zurückgezogen; korrespondierte aber mit Dichtern wie Thomas Bernhard, Paul Celan u.a. Sie schrieb Lyrik und Prosa und erhielt zahlreiche Auszeichnungen: zweimal den Georg-Trakl-Preis für Lyrik und den Großen Staatspreis für Literatur. Christine Lavant starb 1973. Evamaria Salcher liest die Aufzeichnungen. Unprätentiös, aber bestimmt vermittelt sie die Beobachtungen. Es gelingt ihr, die Verletzungen, die Todessehnsucht oder zumindest die Sehnsucht, im Irrenhaus für immer bleiben zu können, glaubwürdig darzustellen. Die Wiener Schauspielerin, die seit 1998 in Deutschland arbeitet und zum Ensemble des Mannheimer Schauspiels gehört, ist eine ideale Besetzung für die authentische, textliche Vorlage. Lesung, Spieldauer: ca. 175 Minuten, 3 CD. -- culture.text


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Lavant, Christine

Lavant, Christine:
Aufzeichnungen aus einem Irrenhaus / Christine Lavant. - Innsbruck : Haymon Verlag, 2008. - 114 S.
ISBN 978-3-85218-802-7 kart.: EUR 9,95

Zugangsnummer: 0013407001
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Lava - Buch: Dichtung