Leake, John
Eiskalter Tod Unfall oder Verbrechen?
Buch: Sachbuch

Nichts macht einen logisch denkenden Menschen letztlich so verrückt wie die Möglichkeit, dass etwas scheinbar Fixes auch ganz anders sein könnte. John Leake ist ein Meister des psychologisierenden Tatsachenberichts. In Roman-Form lässt er dabei die agierenden Personen miteinander reden und ihre Gefühle und Vermutungen äußern, in Sachbuch-Manier stellt er jede Menge Dokumente und Bildmaterial vor. Eiskalter Tod handelt vom Schicksal des kanadischen Eishockeyspielers Duncan MacPherson, der im August 1989 am Stubaier Gletscher verschwindet. Das Buch handelt auf drei Zeitebenen, einmal ist es die Zeit um das Verschwinden des Helden im Jahre 1989, dann geht es um das Auftauchen der Gletscherleiche 2003, und schließlich um die öffentliche Recherche zusammen mit den kanadischen und österreichischen Medien bis 2012. In der jeweiligen Zeit wird auch das Schicksal des Vermissten neu dargestellt, so dass für Spekulationen und Vermutungen jede Menge Platz ist. Verkürzt formuliert geht es um Ungereimtheiten bei der Suche des Vermissten, um fehlende Sorgfalt bei der Bergung des Toten und um seltsamen Informationsfluss der Behörden. Ob das Opfer tatsächlich in eine Gletscherspalte gestürzt ist oder von einer Pistenraupe überfahren und anschließend in die Kluft gekarrt worden ist, kann nicht mehr geklärt werden, weil keine Autopsie vorgenommen worden ist. Indem er seine persönliche Meinung ausblendet, versucht der Autor zu vermitteln zwischen den verzweifelten Eltern, die sich an eine Verschwörungstheorie klammern und der offiziellen Faktenlage, die auf kargen Dokumenten beruht. Für uns Leser ist vor allem die Außensicht des Landes interessant. Neben Übersetzungsfehlern, wie etwa die Stadt Schönberg oder Wache statt Inspektion, sind es vor allem kulturelle Wahrnehmungsunterschiede zwischen den recherchierenden kanadischen Eltern und dem örtliche Polizeiapparat. So werden die Behörden als verschworene Gemeinschaft wahrgenommen, die Talbewohner als geschlossene Gesellschaft und der sogenannte Gletscher-Pionier Heinrich Klier wird gar als Pate des Tales bezeichnet. Problematisch wird diese Reportage, wenn ein sogenanntes Medium etwas prophezeit und diese Prophezeiung mit der Wertigkeit eines behördlichen Dokumentes auf eine Stufe gestellt wird. An manchen Stellen fragt man sich als Leser beklommen, ob es wahr sein kann, dass Behörden alles vertuschen und eine eigene Welt generieren, indem sie uns vielleicht längst manipuliert haben. Auf der anderen Seite neigen die recherchierenden Hinterbliebenen zur Hysterie und einem übersensiblen Wahrnehmungsapparat. "Kehren Sie zur Normalität zurück!" sagt ein Beamter ganz ohne Hintersinn, die erregten Eltern freilich empfinden diesen Ratschlag als Zynismus und Verschleierungsversuch. "Eiskalter Tod" ist einmal eine aufregende Geschichte in einer spektakulären Erzählform aufbereitet, die Frage Unfall oder Verbrechen bleibt offen, die Außensicht auf das Stubai zeigt freilich oft ziemlich düstere Konnotationen. - Ein Buch, das man sich im Sinne der Wahrheitsfindung für den eigenen Kopf durchaus geben soll. Helmuth Schönauer


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Leake, John Dedekind, Henning

Schlagwörter: Verbrechen Kriminalfall

Leake, John:
Eiskalter Tod : Unfall oder Verbrechen? / John Leake. - St. Pölten : Residenz-Verl., 2013. - 262 S. : Ill.
ISBN 978-3-7017-3305-7 fest geb. : ca. Eur 21,90

Zugangsnummer: 0018740001
Soziologie, Ethnologie - Signatur: GS Leak - Buch: Sachbuch