Rehder, Stefan
Gott spielen im Supermarkt der Gentechnik
Buch

Ein Kind mit blonden Haaren und blauen Augen auf Bestellung. Blinde Babies für blinde Eltern, Taube für gehörlose. "Perfekter" Nachwuchs aus dem Katalog, ohne jegliche genetisch bedingte Belastungen und Krankheiten. Was klingt wie aus einem fantastischen Roman, ist in Wirklichkeit nur mehr einen Schritt von der Realität entfernt. Wie Wissenschaftler sich zunehmend die Mittel beschaffen, um die Utopie vom "maßgeschneiderten Menschen" in die Wirklichkeit umzusetzen, wie Politik und Gesellschaft dazu bereitwillig und oftmals naiv assistieren und welche Rolle das Finanzielle dabei spielt - davon handelt Stefan Rehders neues Buch Gott spielen. Im Supermarkt der Gentechnik. Menschen machen - einer der großen Träume der Menschheit, wie zahllose Erzählungen vom Golem über den Homonculus bis Frankensteins Monster beweisen. Jahrhundertelang schien diese Idee jedoch bloß eine Phantasmagorie, ein weiteres Beispiel menschlicher Hybris zu sein. Wie könnte sich denn auch der Mensch an die Stelle Gottes setzen? Heute erscheint diese Utopie erstmals umsetzbar. Die In-vitro-Fertilisation, die Sequenzierung der menschlichen DNA, die Fortschritte bei der Erforschung und Manipulation des tierischen Erbgutes, die - echten und behaupteten - Klon-Erfolge, das Lobbying für die embryonale Stammzellenforschung - all das sind Schritte auf dem Weg zur Abschaffung des homo sapiens, wie wir ihn heute kennen, zeigt Rehder auf. In geschickt aufeinander aufbauenden Kapiteln, auf der Basis sorgfältig recherchierter Beispiele, macht der renommierte Wissenschaftsjournalist (Die Tagespost) deutlich, wie aus scheinbar kleinen Anfängen und aus vorgeblich ethisch über allem Zweifel stehenden wissenschaftlichen Erfolgen immer bedenklichere Konsequenzen folgen können. Dem Autor gelingt es dabei, komplexe wissenschaftliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge auch für den Laien gut verständlich zu machen. Rehder geht es dabei allerdings keineswegs um Polemik gegen Wissenschaft und Forschung oder gar um deren Ablehnung. Vielmehr will er auf die entstehenden Gefahren hinweisen, sobald die wissenschaftliche Forschung dem Machbarkeitswahn verfällt und wirtschaftlich-politische Interessen diese Bestrebungen auch noch unterstützen. Die Utopie des "maßgeschneiderten Menschen" ist für Rehder aber nur der Fluchtpunkt der heutigen Entwicklungen in der Gentechnik. Hauptsächlich beschäftigt er sich nämlich mit der Darstellung der gegenwärtigen Situation. Und bereits da gibt es genug, was dem Leser Unbehagen bereiten kann: von der Tötung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken bei der embryonalen Stammzellenforschung über die Ausbeutung von Frauen durch die Gewinnung von Eizellen bis zur "Selektion" bei Mehrlingsschwangerschaften nach künstlicher Befruchtung per Giftspritze ins Herz. Sein umfassender tour d'horizon durch den "Supermarkt der Gentechnik" führt Schritt für Schritt von den Heils- und Heilungsversprechen der Genforscher über eine Darstellung der Gefahren der embryonalen und der Möglichkeiten der adulten Stammzellenforschung bis hin zum genetisch "upgedateten" Menschen, von dem die sogenannten "Transhumanisten" träumen. Das besonders Aufrüttelnde an dem Buch ist, dass sich Rehder bis zuletzt auf dem Boden der Tatsachen bewegt. Er muss gar nicht spekulieren und Behauptungen aufstellen - das besorgen die betreffenden Wissenschaftler schon selbst. Denn es scheint keine noch so fragwürdige Absicht, keine noch so unglaublich anmutende Idee zu geben, die nicht schon einmal ein Forscher angedacht, offen ausgesprochen und manchmal auch schon in die Tat umgesetzt hätte. Die Fakten sprechen für sich selbst. Denkt der Leser an einem Punkt, dass es gar nicht mehr schlimmer kommen könnte, beweist der Autor kurz darauf, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist. Mit seinem locker und leidenschaftlich, aber seriös und ohne platte Polemik geschriebenen Buch will Rehder nach eigener Aussage vor allem Illusionen nehmen, Illusionen über die "hehre Wissenschaft", über das "Wirken für das Gemeinwohl", über den "Fortschritt". Deshalb beginnt der Band auch mit den Worten: "Dieses Buch ist gefährlich. (…) Wenn Sie es lesen, bringt es Sie der wirklichen Welt ein Stück näher. (…) Sie (werden) einige Illusionen wohl einfach aufgeben müssen." Rehder verspricht nicht zu viel. Wer dieses Buch gelesen hat, kann nachher nicht mehr sagen, er hätte es nicht gewusst.


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Rehder, Stefan

Na 9.1 Rehd

Rehder, Stefan:
Gott spielen : im Supermarkt der Gentechnik / Stefan Rehder. - München : Pattloch-Verl., 2007. - 239 S.
ISBN 978-3-629-02176-2 kart. : ca. €17,50

Zugangsnummer: 2019/3571 - Barcode: 2-7053004-7-00003361-9
Buch