Garmus, Bonnie
🏺 Eine Frage der Chemie Roman
Buch

Elizabeth Zott ist eine Frau mit dem unverkennbaren Auftreten eines Menschen, der nicht durchschnittlich ist und es nie sein wird. Doch es ist 1961, und die Frauen tragen Hemdblusenkleider und treten Gartenvereinen bei. Niemand traut ihnen zu, Chemikerin zu werden. Außer Calvin Evans, dem einsamen, brillanten Nobelpreiskandidaten, der sich ausgerechnet in Elizabeths Verstand verliebt. Aber auch 1961 geht das Leben eigene Wege. Und so findet sich eine alleinerziehende Elizabeth Zott bald in der TV-Show "Essen um sechs" wieder. Doch für sie ist Kochen Chemie. Und Chemie bedeutet Veränderung der Zustände.


Rezension

Im Alter von 60 Jahren hat die Autorin diesen, ihren ersten, Roman veröffentlicht. Welch ein Buchtitel, wird er Fragen aufwerfen? Sicherlich - denn der Roman spielt in der Mitte des 20. Jahrhunderts, es geht um das Frau-Sein, um eigene informierte Entscheidungen, um ein selbstbewusstes und selbstbestimmtes Leben, um Frauenkarrieren in den 1950er/1960er-Jahren, um ein bestimmtes - wenn auch reduziertes - Männerbild und massive Gesellschaftskritik.
Dieses Buch über Elisabeth Zott ist ein besonderer Gast im Lesealltag: Uns begegnen eine junge Frau, ein junger Mann, ein erfolgloser, alleinerziehender TV-Produzent und deren kleine miteinander befreundete Töchter. Irgendwie charmant, oft witzig, ironisch vermittelt die Autorin einen leicht durchschaubaren Plot (für manche Kritiker kitschig), aber der Roman trifft schmerzhaft die wunden Punkte jener Zeit - zwischen Männern und Frauen - auch wenn die Autorin sie überzeichnen mag. Aber so war es und zum Teil kann es heute noch so sein, man denke an die #MeToo-Debatte.
Die Protagonistin Elisabeth ist eine kluge, couragierte, diplomierte Chemikerin und Wissenschaftlerin in den USA. Man spürt beim Lesen förmlich die unsichtbare sexistische Glasdecke, an die sie im Arbeitsalltag ständig gestoßen wird ebenso wie die permanente sexuelle Belästigung, Gewalt.
Für Elisabeth bleibt das Nicht-ernst-genommen-werden, das anzügliche Hinterfragen ihres Werdegangs, zumal sie nach dem plötzlichen frühen Tod ihres Lebensgefährten auch noch eine ledige Mutter wird, eine Qual. Denn einer wie ihr darf man Forschungsergebnisse stehlen, ihr unterstellen, dass sie lediglich durch und von ihrem renommierten Partner profitierte - ja, sie kämpft permanent gegen die gesellschaftlich akzeptierte Auffassung, nur die bessere Hälfte in einer Beziehung (gewesen) zu sein.
Die solcherart gedemütigte Protagonistin durchlebt mit ihrer intelligenten kleinen Tochter gruselige Zeiten im Forschungsinstitut, die sie nicht länger akzeptieren kann. Sie kündigt und nimmt eine nachmittägliche Kochsendung im Fernsehen an. Ein glücklicher Neustart des glücklosen TV-Produzenten um Einschaltquoten. Gesundes Kochen ist in der Tat eine Frage der Chemie. Klug, niveauvoll, couragiert, distanziert und auf eine Weise weltfremd - so lieben sie schnell die Zuschauer und Zuschauerinnen bis hin zum US-Präsidenten. Sie referiert dabei im wahrsten Sinne des Wortes über weibliche Berufschancen, gesundheitliche Aspekte oder übt dabei Gesellschaftskritik.
Es ist ein lesenswertes, unterhaltendes Buch - wirklich ein besonderer Gast im Lesealltag. Zumal sich zu guter Letzt für Mutter und Tochter völlig neue Wege eröffnen, denn der Roman endet »Mit einem heitern, einem nassen Aug'«.

Rezensent: EG


Personen: Garmus, Bonnie Wasel, Ulrike Timmermann, Klaus

Schlagwörter: Geschichte USA Frau Wissenschaft Geschlechterrolle Chemie

Interessenkreis: Rezensierte Titel

Garm

Garmus, Bonnie:
Eine Frage der Chemie : Roman / Bonnie Garmus ; Übersetzung aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. - 12. Auflage. - München : Piper, 2022. - 461 Seiten
ISBN 978-3-492-07109-3

Zugangsnummer: 2023/0012
Romane - Buch