Annotation: Luzides Träumen als Ausgangspunkt für launige Chick-Lit-Fantasy. Rezension: Zugegeben, Chick-Lit-Fantasy ist wohl eher ein Genre, das man heimlich liest. Unter der Bettdecke. Bevor man einschläft und im besten Fall luzide Träume von seinem Schwarm hat. Genau hier nimmt Kerstin Giers neue Buchreihe auch ihren Anfang und findet dafür eine schöne Metapher: In die persönlichen Traumwelten anderer Menschen (zum Beispiel seines Schwarms) gelangt man durch je ganz individuelle Türen mit ganz bestimmten Einlassbedingungen. Als die jugendliche Liv Silber im Schlaf einen Korridor voll solcher Türen entdeckt, ist das phantastische Abenteuer gewiss. Angesichts der zwischenmenschlichen Verstrickung, die sich durch Livs Umzug nach London ergeben, ist dieses aber fast schon Nebensache. Neben Livs herzlich-chaotischer Familie, die plötzlich um einige „Stiefs“ reicher wird, sind da auch noch die typischen Lieben und Intrigen (und Ballvorbereitungen) auf der neue Schule, der Frognal Academy – nachzulesen ganz in echt auf dem Blog à la Gossip Girl www.tittletattleblog.de. Kerstin Gier ist sich der Klischees, die sie hier nutzt, durchaus bewusst und bedient sie dementsprechend charmant und ironisch. Wenn Liv zum ersten Mal auf die angesagtesten vier Jungen der Schule trifft, treten diese natürlich im Gleichschritt auf dem Schulflur auf, „wie im Takt zu einer Musik, die nur sie hören konnten. Eigentlich fehlte nur noch die Zeitlupe und eine Windmaschine, die ihnen die Haare aus dem Gesicht blies.“ Ausgerechnet diese Quasi-Boyband hat etwas mit den geheimnisvollen Traumtüren zu tun und noch dazu einen Dämon beschworen, der Herzenswünsche erfüllen kann. Verliebt in einen der Jungen ist die eloquente Ich-Erzählerin Liv viel zu neugierig, um der Sache nicht auf den Grund zu gehen. Vor allem, weil sie Sherlock Holmes verehrt, was auch am Namen ihrer Hündin abzulesen ist: „Princess Buttercup formerly known as Doctor Watson (Doctor Watson stammte aus der Zeit, bevor wir wussten, dass sie kein Rüde war).“ Das erzählerische Talent kann man der sonst eher für Frauenromane bekannten Autorin nicht absprechen, ebenso wie ihr Gespür für (Neben-)Figuren und Witz. Sie nutzt die richtigen gattungsimmanenten Codes (Dämon! Ritual! Jungfräuliches Blut!) und hält sich nicht mit komplexen Handlungsbögen auf. Dafür streut sie launig popkulturelle Referenzen und entwickelt mit der schlagfertigen Liv eine liebenswerte Figur, die man gerne in die Folgebände begleitet – und sich diese vielleicht sogar schon über der Bettdecke lesen traut.
Personen: Gier, Kerstin
Gier, Kerstin:
Silber : das erste Buch der Träume ; Roman ; dream a little dream / Kerstin Gier. - Sonderausgabe. - Frankfurt a. M. : Fischer FJB, 2013. - 410 S.
: EUR41.20
Jugendbücher (bis 12 Jahre) - Signatur: J Gier - Buch