Quelle: 1000 und 1 Buch (http://www.1001buch.at/) Autor: Daniela A. Frickel; Glaubst Du, dass ein Mensch so schlecht ist, wie seine schlimmsten Taten? Diese Frage stellt Jule, die Hauptfigur des neuen und wieder raffinierten Jugendromans von E. Lockhart, zu einem Zeitpunkt, als sie schon zwei Morde auf dem Gewissen hat. Auf packende Weise erzählt der Psychothriller von einem u.a. aufgrund ihrer sozialen Disposition deklassierten und gedemütigten Mädchen, das eine Superhelden-Identität für sich entdeckt und statt dem Geschlechterklischee entsprechend wehrlos und ohnmächtig zu sein, als Bad Girl ihrem Schicksal mit Gewaltbereitschaft und Aggression entgegentritt. Wer ist Jule West Williams, woher kommt sie, wer sind ihre Eltern und was ist ihre Idee? Diese und viele Fragen werden aufgrund der anachronen Darstellung der Roman beginnt mit dem achtzehnten Kapitel und endet beim ersten erst allmählich, aber auch nicht unbedingt umfassend beantwortet. Klar ist erst einmal nur, dass Jule achtzehn Jahre alt und sehr sportlich ist, womöglich das College abgebrochen und damit ihr Stipendium verloren hat, vielleicht weil sie von ihrem Leichtathletik-Trainer sexuell belästigt wurde. Trotzdem kann sie sich den Aufenthalt in tollen Hotels leisten, ist aber auch auf der Flucht und erfindet unwahrscheinliche Herkunftsgeschichten. Und das sind ihre Credos, die ein heterodiegetischer Erzähler gleich zu Beginn preisgibt: Jule glaubte, je mehr man beim Training schwitzte, desto weniger blutete man im Kampf. Sie glaubte, dass man sein Herz am besten davor schützte, gebrochen zu werden, wenn man so tat, als hätte man keins. Sie glaubte, dass die Art, wie man redete, oft wichtiger war, als das, was man zu sagen hatte. Sie glaubte auch an Actionfilme, Krafttraining, die Wirkung von Make-up, Auswendiglernen, Gleichberechtigung und dass man durch You Tube-Videos Millionen Dinge lernen konnte, die man im College nie beigebracht bekam. Zentrale Elemente der Handlung werden schon auf dem Cover andeutungsweise zusammengefasst: Eine obsessive Freundschaft. Eine verhängnisvolle Liebesgeschichte. Ein Mord oder vielleicht auch zwei. Zufällig freundet sich Jule mit Imogen an. Beide Mädchen sind Waisen, nur dass Imogen ein millionenschweres Erbe besitzt und Jule mittellos dasteht. Die Zuneigung zu Imogen reicht so weit, dass Jule alles daran setzt, ihr zu gefallen, was ihr aufgrund ihrer schauspielerischen Fähigkeiten zunächst gelingt. Als Jule aber Imogens wahres Gesicht entdeckt und von ihr abgewiesen wird, erschlägt sie Imogen im Affekt mit einem Ruder bei einer Bootstour. So entdeckt Jule ihre dunkle Seite und beschließt, sich wie ein Superheld in eine Kriminalgeschichte zu verstricken. Durch ihr Identitätskonzept und die teilweise Übernahme von Imogens Identität verschafft sie sich Zugang zu Reichtum und eine Rüstung, die ihr Sicherheit verleiht, zugleich aber verhindert, dass sie sich Gefühlen von Liebe hingeben kann. Bad Girls setzt ein Mädchen in Szene, das keinen Grund mehr hat, sich Konventionen und insbesondere einem weiblichen Rollenklischee zu unterwerfen. Hier wird durch die Adaption des männlichen Superheldenkonzepts subtil ein klarer Bruch in der Tradition klassischer Mädchenliteratur herbeigeführt, was auch schon Anliegen von Lockharts Roman Die unrühmliche Geschichte der Frankie Landau Banks (OA 2008) war. Ein großes Verdienst Lockharts ist es, die Relevanz von sozialer Deklassierung insbesondere class, gender und race (vgl. auch Solange wir lügen (OA 2014) für die Identitätskonzeption ihrer Figuren herauszustreichen und die dahinterstehenden Normen gleichzeitig zu desavouieren. Dies ist ihr auch mit diesem in der Lektüre sicherlich herausfordernden Roman weitestgehend gelungen, auch wenn oder weil die Geschichte dieser Superheldin die Frage offen lässt, ob eine glücklichere Identität außerhalb tradierter und herrschender Normen bzw. jenseits von Binarität gedacht werden kann. ---- Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Cornelia Gstöttinger; Raffiniert geplotteter Spannungsroman und interessante Charakterstudie über ein Mädchen, das keine Scheu hat, sich neu zu erfinden. (ab 14) (JE) Was ist dran an der Herkunftsgeschichte, die die 18-jährige Jule, ein durchtrainiertes Mädchen, den LeserInnen auftischt? Wurden ihre Eltern - sie hatten geheime Identitäten und besondere Fähigkeiten - tatsächlich ermordet, als Jule acht war? Wurde sie in diesem zarten Alter rekrutiert und hat eine Spezialausbildung genossen? Oder hilft ihr die Selbstinszenierung als toughe Superheldin einfach, den knallharten Alltag trickreich zu meistern? Klar ist schon zu Beginn: Jule umgeben viele Geheimnisse und sie liebt es, mit verschiedenen Identitäten zu spielen. Außerdem ist sie auf der Flucht. Hinter ihre außergewöhnliche Geschichte und alle Zusammenhänge kommt man erst, wenn man der chronologisch rückwärts erzählten Story, in der sich viele intertextuelle Bezüge und spannende Abgründe auftun, bis an den Beginn folgt. Wie schon in dem mitreißenden Roman "Solange wir lügen" (2015) verwöhnt Lockhart die LeserInnen auch in ihrer jüngsten Veröffentlichung mit guter, fesselnder Schreibstil. Ebenso wie der Vorgänger entwickelt dieses Buch spätestens ab der Hälfte einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Nach und nach offenbart sich das Krankhafte einer obsessiven Freundschaft. Im Nachwort nennt die Autorin einige Werke, die sie beim Schreiben von "Bad Girls" inspirierten - sie seien hier aus gutem Grund nicht erwähnt, um nicht zu viel von der Handlung und ihren Twists zu verraten. Auch direkt im Text häufen sich die Verweise auf Figuren mit komplexer Persönlichkeit aus Film und Literatur - ein Umstand, der vielleicht so manche jugendliche Leserin neugierig zu einem der genannten Klassiker greifen lässt. Allen Büchereien sehr zu empfehlen!
Rezension
Personen: Jaekel, Franziska Lockhart, E.
Lockhart, E.:
Bad Girls / E. Lockhart. Aus dem amerikan. Engl. von Franziska Jaekel. - Dt. Erstausg. - Ravensburg : Ravensburger Buchverl., 2018. - 311 S.
ISBN 978-3-473-40167-3
Erzählungen und Romane - Signatur: JE Lock - Buch