Quelle: 1000 und 1 Buch (http://www.1001buch.at/) Autor: Heidi Lexe; (ab10) Rezension: Gehört zu werden, rettet diesen elf Kindern das Leben: Nach einem Schiffbruch auf einer Insel gelandet, die sie Insu-Pu (das lateinische Insula puerorum abkürzend) nennen, senden die Kinder einen Funkspruch ins Ungewisse. Die Möglichkeit dazu bietet das Funkgerät eines über der Insel abgestürzten Kriegsflugzeugs. Parallel geführt zu der Kinderautonomie, die sich auf der Insel etabliert hat, wird auch die Verantwortlichkeit für die Rettung der elf Robinsons an ein Kind delegiert: Mit der Kapitelüberschrift "Michael hört Stimmen" wird die Schwierigkeit, sich als Kind nicht nur Gehör zu verschaffen, sondern auch ernst genommen zu werden, bereits vorweg genommen. Doch Michael, der Enkel des Präsidenten von Terranien folgt seiner Überzeugung. Wie auch schon zu Beginn der Erzählung - denn auch hier nimmt Mira Lobe eine motivische Verdoppelung vor: Es ist Michael, der seinen Großvater davon überzeugt, auf ein Ansuchen der Kinder von Urbien zu reagieren und einen Kindertransport nach Terranien zu organisieren. Mira Lobes Buch erschien erstmals 1951 und gilt als prägender Text für den kinderliterarischen Aufbruch in Österreich nach 1945 1. Der deutschsprachigen Fassung jedoch geht eine hebräische voraus, die Mira Lobe 1947 im Exil in Eretz-Israel unter dem Titel "I-Hajeladim" ("Die Kinderinsel") veröffentlicht hat. In dieser Fassung werden Urbien und Terranien nicht nur ganz konkret als Großbritannien und Amerika ausgewiesen, sondern auch zahlreiche Erzählstellen mit Blick auf die deutschen Luftangriffe auf London expliziert.2 Die nach dem Krieg von Mira Lobe überarbeitete Fassung darf im Vergleich dazu als "gesellschaftliche Allegorie gegen den Krieg" 3 gelesen werden. Auch Claudia Lobe, Bearbeiterin der Neuauflage, weist in ihrem Nachwort auf diese Adaptionen hin. Leider geht weder aus dem Nachwort, noch aus dem Impressum, noch aus der Kurzbiografie Mira Lobes hervor, wann der Text erstmals in Österreich erschienen ist und unter welchem Aspekt es zur Neuauflage gekommen ist. Die Freude darüber ist jedoch unbestritten, handelt es sich doch um ein Buch, das auf faszinierende Weise Beziehungen herstellt: Zwischen dem politischen Gestern und Heute - verbunden durch Kriege, deren Opfer zuallererst Kinder sind; zwischen einem literarischen Gestern und Heute - verbunden durch Kinderfiguren, die aus unterschiedlichen Gründen auf sich selbst gestellt sind; und zwischen dem Gestern und Heute von Mira Lobes LeserInnen. Der Blick heutiger Kinder mag sich - im Bewusstsein der zwischen ihrer Lektüre und der Entstehungszeit des Textes vergangenen Zeit - verbinden mit den Lektüre-Erinnerungen älterer Generationen, z. B. jenen des israelischen Schriftstellers Amos Oz: In seinem autobiografisch geprägten Roman "Eine Geschichte von Liebe und Finsternis" erwähnt er seine Kindheitslektüre, zu der "natürlich" auch "Die Kinderinsel" von Mira Lobe gezählt hat.
Rezension
Personen: Lobe, Mira Lobe, Claudia
Lobe, Mira:
Insu-Pu : die Insel der verlorenen Kinder / Mira Lobe. - Wien : Jungbrunnen, 2006. - 255 S. - Bearbeitet von Claudia Lobe
ISBN 978-3-7026-5774-1
Neue Mittelschule - Signatur: NMS Lobe - Buch