King, Stephen
Das Mädchen Roman
Buch: Dichtung

Vom Weg abgekommen Im neuen Stephen King existiert Horror nur im Kopf Trisha ist neun und sauer. Ihr älterer Bruder ist noch mehr vergrätzt, weil er nach dem Willen der Mutter bei der Sonntagswanderung mitlatschen muss. Der Appalachian Trail durch Maine ist ihm herzlich egal, er streitet mit seiner Mutter, Trisha trottet hinterher und verlässt schließlich unbemerkt den Weg um zu pinkeln. Und plötzlich ist die Kleine allein. Sie schlägt die falsche Richtung ein und der Horror beginnt. In seinem jüngsten Opus kommt King ganz ohne übernatürliche Schreckgespenster und Triebtäter aus. Die Natur ist weder gut noch böse, ihr ist das wimmernde Kind gleichgültig. Der Schrecken entsteht durch die Projektionen des Menschen, hervorgerufen durch Hunger und Durst, die Angst, die durch die Attacke eines Wespenschwarms ausgelöst wird. Der Horror steckt in uns selbst. Trisha hat ein kleines Lunchpaket bei sich, eine Wasserflasche und einen Walkman, zu wenig um zu überleben. Sie hat Fantasie, sie wird gejagt von etwas, das keinen Namen hat, das als schwarzgewandete Gestalt auftaucht, mit summender Wespenstimme, ein Wespenpriester, der ihr die Sinnlosigkeit ihrer Überlebensanstrengungen vor Augen führt. Der Gott der Verirrten will sie holen, gequält von Stechmücken stolpert sie ziellos in einem riesigen Sumpf umher und findet verwesende Tiere. Bei Verstand besehen, handelt es sich um Beutetiere von Bären, aber wer will von einem Stadtkind Verstand einfordern nach Tagen und Nächten voll Panik und Erschöpfung? Die Verankerungen in der brüchigen Realität sind fragil. Trisha schwärmt für einen Baseball-Star der Red Sox. Mit den immer schwächer werdenden Batterien ihres Walkman hört sie noch einen Spielbericht; der angehimmelte, (tatsächlich existierende) Star Tom Gordon stärkt ihren Kampfesmut, er fungiert als eine Art Schutzengel. Die spezifische Baseballverrücktheit der USA wird sich dem Europäer freilich kaum erschließen, aber King hat die einzelnen Kapitel nach den Phasen dieses Sports betitelt und so kann der Leser davon ausgehen, dass das Ganze nach der verzwickten Choreografie dieses Ballspiels komponiert wurde. Wie auch immer, die Mischung aus Lord of the Flies und The Blair Witch Project ist sehr spannend und in den plastischen Naturbeschreibungen auch recht eindrucksvoll. Zudem schafft es King, der Versuchung zu widerstehen, allzu esoterisch daherzukommen und die Delirien der kleinen Trisha zu einem Trivialphilosophikum auszubauen. Die Welt ist nicht nett, sie hat Zähne und sie beißt damit zu, schreibt King gleich zu Anfang. Und am Schluss weiß das auch Trisha. *DER STANDARD, 08. Jänner 2000* Ingeborg Sperl


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Personen: King, Stephen

Standort: Zell am See

Interessenkreis: S Horror-, Gespenstergeschichten, Schwarzer Humor

DR Romane, Erzählungen KING

King, Stephen:
¬Das¬ Mädchen : Roman / Stephen King. - München : Schneekluth, 2000. - 301 S.
Einheitssacht.: ¬The¬ Girl Who Loved Tom Gordon. - Aus d. Amerikan. übers. von Wulf Bergner
ISBN 978-3-7951-1740-5 fest geb. : ATS 277,00

Zugangsnummer: 0000017001 - Barcode: 2-0000000-8-01000160-8
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