Walser, Martin
Der Augenblick der Liebe Roman
Buch: Dichtung

Die Klassiker kommen in die Jahre, ihre Figuren auch. Gottlieb Zürn, in "Das Schwanenhaus" noch umtriebiger Immobilienmakler, ist nicht mehr im Geschäft, macht seiner Frau Anna die Buchführung und sich selbst Gedanken über das Leben und das Alter(n). Als er Beate kennen lernt, geht er noch einmal auf "Die Jagd". Zunächst heißt es allerdings warten, denn nach einem nur zweistündigen Augenblick der Liebe kehrt Beate zurück in die USA zu ihrer Doktorarbeit. Zürn kämpft mit seinen Gefühlen, mit den Konventionen, die ihm "Altersgeilheit" unterstellen, und dem "Käfig, der Biographie heißt". Kann er der heillos harmonischen Ehe-Routine, dieser "wunderbaren Wüste gemeinsam erworbenen Schweigens", ein letztes Mal entfliehen? Dominiert wird die erste Hälfte des Romans aber von Beates Ringen um akademische Anerkennung: "Dieses Murksen und Placken in der ersehnten sommerlichen Einsamkeit", Lesen, Lehren, Lieben -- "Springreiterei forever". Eine Tagung über den Aufklärer La Mettrie -- gemeinsames Forschungsthema von Zürn und Beate -- bietet Gelegenheit, die Liebesfantasien auf ihre Realitätstauglichkeit hin zu überprüfen. Walser wiederum kann hier politische und amouröse Motive überblenden: Wenn Zürn über "nichtsnutzige Schuldgefühle" referiert oder erkennt, dass "das kostbare Kindheitsgut Gewissen zur Rezeptur verkommen" ist, befinden wir uns mitten in den Vergangenheitsdebatten der jüngeren Zeit. "Inzwischen wacht das Gedächtnis über das Gewissen. Ob das lebensfeindlich ist, ist dem Gedächtnis egal." La Mettrie wird -- auch wenn Walser das vorsorglich bestreitet -- zum Gewährsmann für einen vermeintlich unverkrampften Umgang mit der deutschen Geschichte. Zürn erscheint abwechselnd alterswild ("Schluss mit dem Gelobtwerdenwollen") und resignierend ("Menschenpfusch", "nicht gut aussehend, nicht reich, nicht einmal geistreich"). Was man dem Provokateur krumm nimmt, verzeiht man dem "Lebensidiot schlechthin", ohne ihn und sein Treiben immer zu verstehen. Ein Buch mit zwei starken Hauptfiguren, die die Neigung zum Sentenzenhaften mehr als wett machen. Ein Roman über den (männlichen) Methusalem-Komplex im besonderen und über Männer und Frauen im allgemeinen: "Allein jeder, aber zusammen für immer." --Patrick Fischer Kurzbeschreibung Gottlieb Zürn, Privatgelehrter mit Domizil am Bodensee, erhält Besuch von einer Doktorandin. Sie interessiert sich für seine Aufsätze über den französischen Philosophen LaMettrie und überreicht ihm eine Sonnenblume. Sie könnte, wie er sieht, seine Enkelin sein. Und doch vernimmt er sofort das Klirren erotischer Möglichkeiten. Trotzdem, und weil er mit seiner Frau Anna längst im selben Wortschatz untergeht, folgt er ihr kurz darauf nach Kalifornien zu einem Kongress. Dort erfüllt sich seine Prophezeiung - auf eine Weise, die gleich in mehrfacher Hinsicht zum Eklat führt. Sobald er drüben ist, wird in ihm Anna übermächtig, also zurück zu ihr. Sobald er zurück ist, muss er wieder hinüber. Aber das gestattet ihm das Buch nicht. Eros, Ehe und Erlebnishunger sind die äußeren Markierungspunkte dieses Romans, das Verhältnis von Leben, Literatur und Todeslust ist sein geheimes Motiv. *Amazon.de*


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Personen: Walser, Martin

Standort: Zell am See

Schlagwörter: männliches Schicksal Alter Liebesbeziehung

DR Romane, Erzählungen WALS

Walser, Martin:
¬Der¬ Augenblick der Liebe : Roman / Martin Walser. - 1. - Reinbek : Rowohlt, 2004
ISBN 978-3-498-07353-4 fest geb. : EUR 20,50

Zugangsnummer: 0005412001 - Barcode: 2-0000000-8-01053029-0
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