Der 52-jährige österreichische Autor Christoph Ransmayr ist so eine Art Spezialist für schwer zugängliche Terrains. In Romanen wie Die Schrecken des Eises und der Finsternis (1984), Die letzte Welt (1988) oder Morbus Kitahara (1995) hat er sich auch sprachlich in ganz abgelegene Gebiete der Erd- und Literaturgeschichte gewagt, die nicht nur ans Ende kartographischer Erfassbarkeit, sondern nicht selten auch ans Ende des Lebens -- und der Zeiten -- führten. Stilistisch und inhaltlich geht Ransmayer auch in Der fliegende Berg diesen Weg: Zwei Brüder machen sich jenseits aller Vernunft auf die abenteuerliche Reise zu einem Berg im Osten Tibets, der von einem Piloten "während des aussichtslosen / Widerstandes der Krieger von Kham / gegen eine aus Peking befehligte Besatzungsarmee" im Moment größter Gefahr entdeckt worden ist und höher als der Mount Everest sein soll -- wobei nur einer der Brüder die phantastische Fahrt zum mehr als obskuren Objekt der Begierde überlebt. Dabei werden mit Liebe, Freundschaft und Tod wieder einmal einige existentielle Themen gestreift und von unterschiedlicher Seite beleuchtet. Gehalten ist das Buch in freien Versen in der Manier Walt Whitmans. Selbst wenn sich ein Teil des Textes auch als Fließtext ohne die Zäsuren der Verse hätte schreiben lassen, ergibt sich durch diese ungewöhnliche Form eine ganz eigenwillige, den Stoff unterstützende Wirkung, die man nur dann voll erfasst, wenn man bereit ist, den Text laut zu lesen. "Vielleicht ist jenes Bedürfnis / tatsächlich unstillbar, / das uns selbst in enzyklopädisch gesicherten Gebieten / nach dem Unbekannten, Unbetretenen, / von Spuren und Namen noch Unversehrten suchen lässt", heißt es in Der fliegende Berg: "nach jenem makellos weißen Fleck, / in den wir dann ein Bild unserer Tagträume / einschreiben können." Ransmayr hat diesen weißen Fleck auf der Landkarte wieder einmal zum poetologischen Prinzip erhoben. Und wieder einmal hat er ihn mit der ganzen Kraft seines sprachlichen Talents perfekt ausgelotet. Der fliegende Berg ist Prosa in Vollendung, irgendwo angesiedelt an der Spitze der deutschen Literaturlandschaft, von der man schon dachte, es würde sie gar nicht mehr geben: hoch auffliegend, könnte man sagen. --Thomas Köster *amazon.de*
Personen: Ransmayr, Christoph
Standort: Zell am See
DR Romane, Erzählungen RANS
Ransmayr, Christoph:
¬Der¬ fliegende Berg : Roman / Christoph Ransmayr. - 1. - Frankfurt am Main : S. Fischer, 2006. - 358 S.
ISBN 978-3-10-062936-4 fest geb. : Euro 20,50
DR Romane, Erzählungen - Buch: Dichtung