Roth, Philip
Der menschliche Makel Roman
Buch: Dichtung

Vom Fehler, ein Mensch zu sein Wie gut, dass es Philip Roth gibt. Eine Trade-Mark, die nicht enttäuscht. Ein Autor, der sich nicht entwickeln musste, weil er auf seine Weise immer vollendet war, der sich treu bleibt und trotzdem verändert. Ein Amerikaner, der nicht nur für Amerika schreibt, ein Zeitgenosse und ein Mensch. Die Menschlichkeit, das heißt die Fehlbarkeit, "Der menschliche Makel" ist das große Thema seines jüngsten Romans, der soeben in deutscher Übersetzung erschienen ist. Er ist ein Meisterwerk, ist wiederum ein Meisterwerk, wie bereits davor sein "Amerikanisches Idyll". Es ist der Sommer des Groß-Reinemachens, der Sommer "in dem jeder an den Penis des Präsidenten dachte und das Leben in all seiner Schlüpfrigkeit Amerika wieder einmal in Verwirrung stürzte". Der Sommer also, in dem die Clinton-Lewinsky-Affäre hoch kochte, und in dem Viagra auf den Markt kam, das Wundermittel, das einem 71-jährigen Professor einen neuen Frühling und seinen letzten Sommer beschert. Um die Lebensgeschichte dieses Coleman Silk bzw. seine verschiedenen Fassungen ranken sich andere Schicksale, die der Erzähler Nathan Zuckerman, Roth-Lesern als Alter Ego des Autors wohl vertraut, miteinander verknüpft. Es sind Menschen, die alle ein Geheimnis, einen dunklen Fleck verbergen, Tragödien, jede einzelne stark genung, um einen Roman damit zu füllen. Doch Coleman Silks Fallhöhe ist die größte, obwohl ihn seine letzte Geliebte, die junge Putzfrau Faunia manchmal wegen der "Privilegiertheit seines Leidens" hasst. Sie und der Vietnam-Veteran Les Farley, ihr Ex-Mann, haben die Härten des Daseins weit brutaler und körperlicher erlebt als der kultivierte Altphilologe Coleman, dessen strahlende Universitätslaufbahn durch eine unbedachte Bermerkung ein jähes Ende fand, Als "dunkle Gestalten, die das Seminarlicht scheuen", hatte er zwei abwesende Studenten bezeichnet, nicht ahnend, dass es sich um Farbige handelte. Spooks, Gespenster, hat als abfällige Bezeichnung für Schwarze eine unübersetzbare zweite Bedeutung, die Silk den Vorwurf des Rassismus einträgt. Die Hexenjagd der puritanischen Kleingeister beginnt. Er wird von der noblen Universität, zu deren gutem Ruf er beigetragen hat, verstoßen, seine Frau stirbt daran. Zuckerman, der Schriftsteller und bald auch Freund, soll die Geschichte dieses Unrechts aufschreiben, verlangt der Gedemütigte. Nach Colemans Tod tut es Zuckerman schließlich, doch es ist eine andere Geschichte. Denn Coleman ist, und das ist fast ein Knalleffekt, eigentlich ein sehr hellhäutiger Schwarzer, der in der Navy seine Identität änderte und sich als weißer Jude ausgab, "die beslang unbekannte Verschmelzung der beiden ungleichsten unerwünschten Rassen". Mit seiner Familie hat er gebrochen und nicht einmal siene Frau hat von seinem "Makel" gewusst. Gerade ihm Rassismus vorzuwerfen, ist die Ironie seines Schicksals, der letzte Preis für die Verwirklichung des amerikanischen Traumes, sein Leben selbst zu bestimmen. Philip Roth zeigt die Möglichkeit und das Scheitern dieses Traumes. Die Grenzen in der Jagd nach dem Glück liegen nicht im Einzelnen, es ist die Gesellschaft, die ihn einschränkt, die den Schwarzen und dieses zum Makel macht, die dem alten mann die junge Frau nicht gönnt. Zum Schluss sitzt der Mörder friedlich fischend an einem zugefrorenen See. Ein amerikanisches Idyll. Nathan Zuckerman, seit mehreren Büchern impotent, hat sich von der Erotik verabschiedet. Doch wenn die nackte Faunia vor Coleman tanzt, wenn die beiden Freunde miteinander zu den Melodien ihrer Jugend tanzen, hat das einen feine Erotik fern von Altmänner-Sex. Roth ist auch darin weise und ökonomisch geworden. Viagra braucht dieser großartige Erzähler nicht. Er ist souverän und potent wie eh und je. *KURIER*, 16.02.2002 Anita Pollak


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Personen: Roth, Philip

Standort: Zell am See

DR Romane, Erzählungen ROTH

Roth, Philip:
¬Der¬ menschliche Makel : Roman / Philip Roth. - 2. - München : Hanser, 2002. - 398 S.
Einheitssacht.: ¬The¬ Human Stain. - Aus d. Amerikan. übers. von Kirk van Gunsteren
ISBN 978-3-446-20058-6 fest geb. : EUR 25,60

Zugangsnummer: 0002902001 - Barcode: 2-0000000-8-01028317-2
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