Young-Lee, Il
Der Papalagi Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea
Buch: Dichtung

Zum ersten Mal bin ich dem «Papalagi» als Kind begegnet. Mein Vater gab mir ein schmales zerlesenes Büchlein und empfahl mir dessen Lektüre. Da seine Vorschläge sich immer als gut erwiesen, ob es sich nun um einen Opernbesuch oder ein Kochrezept handelte, setzte ich mich hin und fing an zu lesen. Ich las vom runden Metall und dem Ort des falschen Lebens, von den steinernen Truhen und der schweren Krankheit des Denkens. Ich las, dass der Papalagi keine Zeit hat und dass ihn die vielen Dinge arm machen. Oft lachte ich, oft fühlte ich mich ertappt, als ob mir jemand einen Spiegel vorhielte. Mehr als fünfzig Jahre später geht es mir beim Wiederlesen dieses Klassikers ähnlich. Doch was ist ein Papalagi? Es ist der Weisse, der Fremde, so genannt vom Südseehäuptling Tuiavii aus Tiavea, dessen Reden in diesem schmalen Buch gesammelt sind. Natürlich habe ich als Kind an die Existenz dieses Häuptlings geglaubt. Erst bei der Neuausgabe von 1977, über die ich als Schweiz-Korrespondentin des «Börsenblatts für den Deutschen Buchhandel» entzückt schrieb, wurde mir klar, dass Erich Scheurmann, Herausgeber der Reden und Verfasser eines ausführlichen Vorworts, vermutlich mit dem Häuptling identisch war. Was soll's? Es ändert nichts daran, dass wir alle ab und zu einen Blick in den «Papalagi» werfen sollten. Darum lasse ich ihn hier selber sprechen: «Denkt euch eine Tapamatte, dünn, weiss, zusammengefaltet, geteilt und nochmals gefaltet, alle Seiten eng beschrieben, ganz eng - das ist die vielen Papiere, oder wie es der Papalagi nennt, die Zeitung. In diesen Papieren liegt die grosse Klugheit des Papalagi. Er muss jeden Morgen und Abend seinen Kopf zwischen sie halten, um ihn neu zu füllen und ihn satt zu machen, damit er besser denkt und viel in sich hat; wie das Pferd auch besser läuft, wenn es viele Bananen gefressen hat und sein Leib ordentlich voll ist. Wenn der Alii (d. h. der Herr) noch auf der Matte liegt, eilen schon Boten durchs Land und verteilen die vielen Papiere. Es ist das erste, wonach der Papalagi greift, nachdem er den Schlaf von sich stiess. Er liest. Er bohrt seine Augen in das, was die vielen Papiere erzählen. Und alle Papalagi tun das gleiche - auch sie lesen. Sie lesen, was die höchsten Sprecher und Häuptlinge Europas auf ihren Fonos gesagt haben. Dies steht genau auf der Matte aufgezeichnet, selbst wenn es etwas ganz Törichtes ist. Auch ihre Lendentücher, die sie anhatten, sind genau beschrieben, was jene Alii gegessen haben, wie ihr Pferd heisst, ob sie selber Elephantiasis oder schwache Gedanken haben. . . . Wenn du die Zeitung liest, brauchst du nicht nach Apolima, Manono oder Savaii zu reisen, um zu wissen, was deine Freunde tun, denken und feiern. Du kannst ruhig auf deiner Matte liegen, die vielen Papiere erzählen dir alles. Dies scheint sehr schön und angenehm, doch dies ist nur ein Trugschluss. Denn wenn du nun deinem Bruder begegnest und jeder von euch hielt schon den Kopf in die vielen Papiere, so wird einer dem anderen nichts Neues oder Besonderes mehr mitzuteilen haben, da jeder das Gleiche in seinem Kopf trägt, ihr schweigt euch also an oder wiederholt einander nur, was die Papiere sagten.» Ruth Binde, Presseagentin Kurzbeschreibung In einer Phase allgemeiner Nachdenklichkeit hat der "Papalagi" die Stellung eines Kultbuches eingenommen, eines Wegweisers zurück zu Werten, die leichtsinnig und hochmütig als überkommen erklärt worden waren. Darüber hinaus ist der "Papalagi" ein literarisches Dokument anrührender Poesie und feinsinnigen Humors.


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Personen: Young-Lee, Il

Standort: Zell am See

Schlagwörter: Philosophie Gesellschaft

PI Phil., Psych., Pädag., Rel. PAPA

Young-Lee, Il [Ill.]:
¬Der¬ Papalagi : Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea / Il Young-Lee. - 1. - Bergisch Gladbach : Bastei-Lübbe, 2002. - 156 S. [Ill.]
ISBN 978-3-404-14693-2 kart. : EUR 7,20

Zugangsnummer: 0004717001 - Barcode: 2-0000000-8-01046199-0
PI Phil., Psych., Pädag., Rel. - Buch: Dichtung