MacCourt, Frank
Ein rundherum tolles Land Erinnerungen
Buch: Dichtung

"Wenigstens haben die es trocken und warm" Frank McCourts "Die Asche meiner Mutter", Teil zwei. Frank McCourt ist 19 Jahre alt, völlig mittellos und liegt mit schlechten Zähnen und einer schweren Augenentzündung in einer billigen New Yorker Absteige, wo er für zwei Dollar die Woche Toiletten putzt und den amerikanischen Traum träumt: "Eines Tages werde ich Millionen machen, und ich werde die armen Leute nach Amerika holen und sie erst wieder nach Limerick zurückschicken, wenn sie fette Ärsche haben und dort in grellen Farben die O'Connell Street auf und ab watscheln können. In meinem Bett kann ich alles tun, was ich möchte, alles. Ich kann von Limerick träumen oder an mir selbst herumspielen, auch wenn das eine Sünde ist [ ... ] Niemand wird jemals etwas davon erfahren, außer ich gehe zur Beichte, aber dafür bin ich schon viel zu tief in Ungnade gefallen." Nach dem überraschenden Welterfolg mit Die Asche meiner Mutter, mit dem sich McCourt von der Erinnerungslast seiner schweren irischen Kindheit in einer unvergleichlichen Mischung aus Tragik und Komik befreite und dabei mit den Augen eines Kindes und dessen Erlebnis-wie Sprachhorizont berichtete, legt der 69-Jährige nun den zweiten Band seiner Lebenserinnerungen vor, den Rückblick auf seine "amerikanischen Jahre". Diese beginnen für den irischen Emigranten erst einmal so, wie seine Jugend daheim in Limerick endete, trostlos. McCourt fängt 1949 ganz unten an, ist einsam, hungert und kann über seine missliche Lage nicht einmal nach Hause berichten, weil ihm dort sowieso niemand glauben würde: "Sie würden sagen, was erzählst du denn da, und sie würden lachen, weil man ja nur die Filme anzuschauen braucht, um zu sehen, wie wohlhabend die Amerikaner sind, wie die in ihrem Essen herumstochern und was auf dem Teller liegenlassen und dann den Teller wegschieben. Man tut sich sogar schwer, Mitleid mit den Amerikanern zu haben, die angeblich arm sind, wie in dem Film Die Früchte des Zorns, wenn alles verdorrt und sie nach Kalifornien übersiedeln müssen. Wenigstens haben die es trocken und warm." Nach diversen Jobs meldet er sich schließlich zur Armee, muss aber nicht in den Krieg gegen Korea, sondern ins bayerische Bad Tölz ziehen, wo er Hunde abrichtet und später unter anderem für die Verteilung von Kondomen zuständig ist. Nach New York zurückgekehrt verschafft er sich schließlich trotz fehlenden Schulabschlusses unter anderem mit Hilfe der so genannten GI-Bill, der demokratischen Partei und einem in jeder Hinsicht missratenen Priester der katholischen Konfession Zugang zu einem Hochschulstudium an der laut besagtem Gottesmann - wir schreiben die berüchtigten McCarthy-Jahre - "von den Kommunisten völlig durchseuchten" New York University. Als frischgebackener Englischlehrer steuert er schließlich in erster Ehe mit einer gegen McCourts durchaus irisches Trinkgebaren kritisch eingestellten "Protestantin" (Gute Güte!) das Leben in einer so genannten bürgerlichen Existenz an. Und McCourt erzählt in eher wenig berauschenden Geschichten und eben auch einer weniger blumigen und einnehmenden Erwachsenensprache von den Mühen im Umgang mit Schülern oder seinem ebenfalls in jeder Hinsicht missratenen Bruder Malachy, einem Lebemann vor dem Herrn. McCourt lässt auch seine Mutter aus Irland auf Besuch einfliegen - und bringt 21 Jahre später deren Asche (Aha!) wieder zurück in die europäische Heimat. Am Ende wird Whiskey getrunken, um die Begräbnisfeierlichkeiten, "um die Geschichten und Lieder in Gang zu bringen, denn etwas anderes gibt es nicht zu tun an dem Tag, an dem man seine Toten begräbt". Das liest sich alles ungefähr so spannend, wie diese Besprechung. Vor allem ab dem zweiten Drittel wirkt Ein rundherum tolles Land uninspiriert und heruntergehudelt. Die Frankfurter Buchmesse nämlich sie wartet auf niemanden. Eine Enttäuschung. [ ] *DER STANDARD, 9./10. Oktober 1999* Christian Schachinger


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Personen: MacCourt, Frank

Standort: Zell am See

DR Romane, Erzählungen MACC

MacCourt, Frank:
¬Ein¬ rundherum tolles Land : Erinnerungen / Frank MacCourt. - 1. - Frankfurt/M. : Luchterhand Literaturverl., 1999. - 487 S.
Einheitssacht.: Tis. A Memoir. - Aus d. Amerikan. übers. von Rudolf Hermstein
ISBN 978-3-630-87034-2 fest geb. : ATS 350,00

Zugangsnummer: 0000353001 - Barcode: 2-0000000-8-01003505-4
DR Romane, Erzählungen - Buch: Dichtung