Jan Neidhardt (Schönhofen b. Regensburg) Wie weit könnnen die Medien gehen? Wie weit reicht der öffentliche Voyeurismus a la BigBrother und ähnlicher Reality-Shows? - Wichtige Fragen, die in diesem Buch von Amelie Nothomb aufgeworfen werden. In Reality-Show sind die schlimmsten Szenarien Wirklichkeit geworden. Die Sendung "Konzentration" zeigt den Alltag in einem Konzentrationslager. Die Insassen sind willkürlich Verhaftete, die Wärter, Kapos genannt, konnten sich für die Sendung bewerben. Die eigentliche Story spielt sich zwischen zwei Frauen ab, Kapo Zdena und der Gefangenen Pannonica. Machtausübung verwandelt sich schnell (und ich verrate damit nicht zu viel) in eine sehr einseitige Art von Liebe. Der Roman beschreibt sehr wenig, Inhalte beschränken sich vorwiegend auf Gedanken und Gespräche, was eine etwas theaterhafte, leider auch unrealistische Atmosphäre entstehen lässt. Andererseits wäre es schwierig in einer, ja recht kurzen Geschichte, viel an Beschreibung unterzubringen. Die Hauptakteure sind sehr klischeehaft dargestellt, absolute Bösartigkeit und Ignoranz gegen absolute Heldenhaftigkeit. Tatsächlich ist die Figur der Pannonica fast als die einer Heiligen gezeichnet. Die anderen Gestalten auf dem Nebengleis, völlig farblos, kulissenhaft. Die Darstellung grenzt ans Allegorische und damit kann ich leider recht wenig anfangen. Der oft eingebrachte Vergleich mit den Konzentrationslagern der Nazis drängt sich natürlich auf, aber auch hier muss man sich die Frage stellen, ob dieser Vergleich im Rahmen einer solchen Geschichte überhaupt gestattet ist. Es kommen darin auch Menschen zu Wort, die in diesem TV-Lager eingesperrt sind und den Holocaust überlebt haben. Naja, zumindest diskussionswürdig. Wenn man kleinlich sein will, stören auch noch Details, z.B. die Geschichte mit der zugesteckten Schokolade, die über Monate hilft, eine ganze Einheit aus dem Lager auf den Beinen zu halten, oder, dass es zwar täglich Hinrichtungen gibt, aber man nichts über neue Gefangene erfährt, die in das Lager gesteckt werden, da ja sonst irgendwann nur noch wenige Insassen vorhanden wären. Oder auch, dass die Macher der Sendung ihre Möglichkeit nicht nutzen unerwünschte Aussagen der Gefangenen herauszuschneiden. Fazit: Als Gedankenexperiment zwar spannend, aber als Geschichte zu dünn und klischeehaft und deshalb auch nicht unbedingt geeignet, tiefgründigere Diskussionen über das Thema "Medien, Macht und Moral" in Gang zu bringen. *Privatrezension, amazon.de*
Personen: Nothomb, Amélie
Standort: Zell am See
DR Romane, Erzählungen NOTH
Nothomb, Amélie:
Reality-Show : Roman / Amélie Nothomb. - 1. - Zürich : Diogenes-Verl., 2007. - 169 S.
Einheitssacht.: Acide sulfurique. - Aus dem Franz. übers.
ISBN 978-3-257-06577-0 fest geb. : Euro 18,40
DR Romane, Erzählungen - Buch: Dichtung