Aus der Amazon.at-Redaktion Nachts schabt sich ein Tier an der Hauswand und ängstigt die beiden Frauen, die in einer abgeschiedenen Hütte den Winter verbringen. Ruth hat noch andere Sorgen: Sie soll die an unkontrollierbaren Schlafanfällen leidende Blanka, als Artistin einst Publikumsmagnet eines Wanderzirkus, durch hartes Training für ein Comeback trainieren. Gefahr droht aber nicht nur durch streunende Tiere, auch Männer aus dem nächstgelegenen Dorf stören mit undurchsichtigen Motiven den häuslichen Frieden. Ruth versucht sich zu arrangieren, doch als die Bedrohung überhand nimmt, sucht sie mit Blanka das Heil in der Flucht. In "Ruth schläft", der mit gut 100 Seiten längsten der vier Erzählungen in Tabula rasa, fesselt von Anfang an die faszinierend klaustrophobe Atmosphäre, die sich zusehends albtraumhaft verdichtet. Der surreal anmutende, aber umso eindringlichere Horror, der auch Elfriede Kerns Romane auszeichnet, macht die Geschichte zu einem packenden Lektüreerlebnis. Das tief greifende Unbehagen, vor dem es kein Entrinnen gibt, trägt kafkaeske Züge, die Gefahren bleiben unfassbar, erregen genau dadurch besonderes Grauen. Die hypnotische Sogwirkung bedrohlicher Traumwelten entwickeln auch die drei kürzeren Erzählungen: Von Anfang an auf der Flucht -- wovor bleibt offen -- ist die Icherzählerin in "Aufbrechen", mit Bahn, Bus und zu Fuß scheinbar ziellos durchs Land reisend. "Inschrift" ist die verstörende Geschichte eines ihrem Umfeld völlig entfremdeten Mädchens, das in ihrer Verlorenheit bis zur Selbstverstümmelung geht. Auch die Erzählerin in "Tabula rasa", Wettbewerbsbeitrag für den Bachmann-Preis 2002, präsentiert sich als Outcast, von Schuldgefühlen wegen des Todes ihrer Schwester in idiosynkratische Rituale getrieben. Kerns einsame Protagonistinnen versuchen fliehend oder sich versteckend unheimlichen Bedrohungen zu entkommen und entwickeln dabei beeindruckende Energien. Ihre Mitmenschen sind ihnen meist nicht geheuer, zwischenmenschliche Wärme zeigt sich nur in Ruths geschwisterlicher Fürsorge für die kindliche Blanka. Ansonsten überwiegt eine jeglichen Urvertrauens entleerte existenzielle Kälte, einer sinistren Umwelt entsprechend, deren Gefahren nur mit gesteigerter Aufmerksamkeit zu entgehen ist. Der Albtraum endet erst, als Ruth erschöpft in den Schlaf sinkt. --Mathis Zojer Kurzbeschreibung Da gibt es in Linz in Oberösterreich eine außerordentliche Schriftstellerin, die sich dem Literaturbetrieb ebenso entzieht wie den üblichen Erwartungen, denen schreibende Frauen heute ausgesetzt sind. Hier geht es aber nicht um alltägliche Paarbeziehungen, auch nicht um jenen launigen Realismus, der uns noch einmal sagen will, was wir schon lange wissen. Dafür hat Elfriede Kern deutlich erkannt, daß unser Menschenleben tatsächlich geheimnisvoll verläuft, nicht aber als Rätsel, das sich lösen ließe. Sie beweist das mit aufregenden Geschichten, die den hellen Tag zeigen und doch dunkel bleiben wie der Abend und die Nacht. In diesem Licht bestehen Elfriede Kerns Frauen ihre Abenteuer. Über den Autor Elfriede Kern: Geboren 1950 in Bruck an der Mur, arbeitete lange Zeit als Bibliothekarin an der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, lebt in Linz. 2002 Preis des Landes Steiermark. Zuletzt erschien der Roman »Schwarze Lämmer«, 2001. *amazon.at*
Aufbrechen; Inschrift; Tabula rasa; Ruth schläft.
Personen: Kern, Elfriede
Standort: Zell am See
DR Romane, Erzählungen KERN
Kern, Elfriede:
Tabula rasa : vier Erzählungen / Elfriede Kern. - 1. - Salzburg [u.a.] : Jung und Jung, 2003. - 153 S.
ISBN 978-3-902144-61-4 fest geb. :
DR Romane, Erzählungen - Buch: Dichtung