Hochgatterer, Paulus
Über Raben Roman
Buch: Dichtung

Wie bösartig ist der Leser? - ein Test Ein Lehrer und seine Schülerin. Nein, nicht was Sie denken. Was haben Sie denn eigentlich gedacht? Ein Roman als Lesertest. "Je bösartiger der Leser ist, umso bösartiger ist das Ende der Geschichte". Der Autor Paulus Hochgatterer lächelt hintergründig. Er weiß natürlich wie seine Geschichten ausgehen, aber er verrät es nicht. Im Gespräch nicht und im Roman erst recht nicht. "Ich gebe ein Gerüst vor, das viele Möglichkeiten offen lässt. In der Geschichte, die er sich selbst erfindet, findet der Leser auch sich selbst. Das klingt so blöd psychologisierend und war mir beim Schreiben gar nicht bewusst." Das ich und das er Ja, das Bewusst und das Unbewusste und das blöde Psychologisieren. Paulus Hochgatterer weiß, wovon er spricht und wovon er nicht schreibt. Als Kinderpsychiater ist er vom Fach und darf als Autor sogar in das Ich einer etwas seltsamen 13-jährigen Schülerin schlüpfen, die von ihrem alltäglichen und doch nicht ganz alltäglichen Schülerdasein erzählt. Und dann ist "Er" da, der Lehrer und Bergsteiger im hochalpinen, eisigen Raum, allein mit seinem Gewehr, mit Seilen und Fellen, einer Profi-Ausrüstung. Auch da ist der Autor, selbst ein Kletterer, ein Auskenner. Warum er bei der von Geschlecht und Alter her näheren Figur zum Er und bei dem jungen Mädchen zum Erzähler-Ich greift? "Das eigentliche Thema des Buches sind anscheinende Unvereinbarkeiten, genau so wie die Kriminalgeschichte, die man ja auch herauslesen könnte. Da gibt's keine Leiche, keinen Mörder, kein Motiv und trotzdem ist es eine." Mädchen und Lehrer In zwei Erzählsträngen führt hochgatterer zwie Geschichten in abwechselnden Kapiteln nebeneinander her ohne ie je real zu verknüpfen, wie zwei Parallelen, die sich nur in der unendlichen Fantasie des Leser treffen können. Eine Schulwoche lang begleitet man das allein in Gesellschaft eines Katers lebende Mädchen auf ihren Wegen durch die genau beschriebene Wiener Innenstadt, in die Schule, wo sie unauffällig ist, in Geschäfte, wo sie ihre Vorliebe für Schädlingsbekämpfungsmittel auslebt, zum Bankomaten, der beträchtliche Summen für sie ausspuckt und durch ihren Kopf, wo sie ihre obskuren Todesarten-Fantasien verfolgt. Eine Fallstudie? "Nein, ich glaube, dass wir alle so ein Nebenleben in vorstellungen haben, so einen Fantasiewelt, in der Kindheit vielleicht etwas blühender." Dass er die aktuelle Lebenswelt eines so jungen Mädchens auch aus seiner ärztlichen Praxis kennt, leugnet der Vater eines 13-jährigen Buben gar nicht. "Um Markennamen muss man sich da schon kümmern." Die Schulwelt ist dem Lehrer-Sohn ebenso vertraut. "Auch meine Schewstern sin ja Lehrerinnen." Für die bösen Kinder und die schlechten Lehrer. Widmet Hochgatterer in pädagogischer Gerechtigkeit seinen Roman. Wie kommt dann der Rabe, der im Alpin-Teil der Geschichte bloß eine Nebenrolle spielt, in den Titel und auf den Buch-Cover? "Das Tier ist eine Metapher für die Geschichte. Der Rabe hat mich in seiner Mischung aus Autonomie und Sozialwesen immer fasziniert." Die eigenartige Mischung von Nähe und Distanz in der sich Rabe und Lehrer für kurze Zeit nebeneinander befinden, kennzeichnet auch die sehr einsamen Hauptfiguren, die während 235 Seiten keine menschlichen Beziehungen aufbauen. Was sie miteinander bzw. mit uns gemeinsam haben, das ist die Testfrage. *KURIER* 06.04.02


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Personen: Hochgatterer, Paulus

Standort: Zell am See

DR Romane, Erzählungen HOCH

Hochgatterer, Paulus:
Über Raben : Roman / Paulus Hochgatterer. - Wien [u.a.] : Deuticke, 2002. - 235 S.
ISBN 978-3-216-30629-6 fest geb. : EUR 20,50

Zugangsnummer: 0003178001 - Barcode: 2-0000000-8-01031089-2
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