Der 15. Februar ist für mich ein ganz besonderer Tag. An diesem Tag habe ich nicht nur mein erstes Kind zur Welt gebracht, ist auch der Tag, an dem mich mein Mann verlassen hat. Da er bei der Geburt dabei war, nehme ich an, daß zwischen den beiden Ereignisse irgendein Zusammenhang besteht. Ich wußte gleich: ich hätte mich auf mein Gefühl verlassen sollen. Ich war eine Anhängerin der klassischen - man könnte auch sagen, der überlieferten - Rolle, die bei der Geburt eines Kindes für Väter vorgesehen ist. Auf keinen Fall haben sie Zutritt zum Kreißsaal. Man verbanne sie mit vierzig Zigaretten und einem Feuerzeug auf den Krankenhausflur und lasse sie dort auf und ab marschieren, das heißt, wenn sie an dessen Ende angekommen sind, sollen sie sich umdrehen und an ihren Ausgangspunkt zurückkehren. Bei Bedarf ist das Ganze zu wiederholen. Alle Unterhaltungen sind knapp zu halten. Lediglich mit anderen künftigen Vätern, die neben ihnen auf und ab gehen, dürfen sie einige Worte wechseln. "Mein erstes" (schiefes Lächeln). "'Glückwunsch.... mein drittes" (trübseliges Lächeln). "Gut gemacht." (gezwungenes Lächeln). Will er damit durchblicken lassen, daß er männlicher ist als ich? In dieser Zeit liegen die Gefühle ziemlich blank. Von mir aus kann man es den Männern auch erlauben, sich auf jeden Arzt zu stürzen, der erschöpft und bis zu den Ellbogen voll Blut aus dem Kreißsaal kommt, und ihm zukeuchen: "Gibt's was Neues??" Darauf könnte der Arzt antworten: "Großer Gott, Mann, nein! Der Muttermund ist ja erst drei Zentimeter weit geöffnet." Daraufhin wird der Mann wissend nicken, obwohl er lediglich begriffen hat, daß er noch eine ganze Weile wird auf und ab gehen müssen.
Personen: Keyes, Marian
Standort: Zell am See
DR Romane, Erzählungen KEYE
Keyes, Marian:
Wassermelone : Roman / Marian Keyes. - 3. - München : Heyne, 1997. - 519 S.
Einheitssacht.: Watermelon. - Aus dem Engl. übers.
ISBN 978-3-453-12910-8 fest geb. :
DR Romane, Erzählungen - Buch: Dichtung